Wenn Lukas Kaut mit der B-Jugend des TSB Ravensburg auf dem Handballfeld steht, sieht alles ganz normal aus. Doch der 15-jährige Gymnasiast hat ein großes Handicap: Er hört nichts. Nur dank eines Implantats kann Lukas Kaut verstehen, was seine Trainer und Mitspieler rufen.
„Auch die Unterstützung der Zuschauer höre ich dann, die brauche ich auch“, sagt Lukas Kaut. In der deutschen Nationalmannschaft der Gehörlosen gibt es diese Unterstützung allerdings nicht.
Vorfreude auf das erste offizielle Testspiel
Dass Lukas Kaut inzwischen zum deutschen Aufgebot gehört und dort der jüngste Spieler ist, hat viel mit Eigeninitiative zu tun. Denn der 15-Jährige wurde nicht etwa von Scouts gesehen – er bewarb sich quasi selbst. „Ich habe in Handball Inside gelesen, dass Spieler für das Gehörlosenteam gesucht werden“, erzählt Lukas Kaut. „Dann habe ich eine Mail geschrieben und wir sind in Kontakt gekommen.“
Mit großem Willen auf den richtigen Weg
Der junge Handballer wurde im vergangenen Sommer zum Lehrgang nach Hasloch eingeladen, es folgte ein weiterer Lehrgang sowie ein Besuch beim Handball-Rekordmeister THW Kiel. Bald soll das erste offizielle Testspiel mit seinen Nationalmannschaftskollegen sein – bislang hat der Ravensburger mit dem Nationalteam nur inoffizielle Testspiele bestritten.
Das große Ziel mit der deutschen Mannschaft hat Lukas Kaut vor Augen: die Deaflympics in Brasilien. Die Deaflympics sind die Sommer- und Winterspiele im Gehörlosensport. Eigentlich waren die Spiele in Brasilien bereits im vergangenen Jahr geplant, wie die Olympischen Spiele wurden sie aber um ein Jahr verschoben und sollen am 1. Mai in Caxias do Sul im Süden Brasiliens beginnen.
Kaut spielt im linken oder zentralen Rückraum
Deutschlands Handballer haben sich qualifiziert, im Februar und März sind noch einmal Lehrgänge geplant. „Ich möchte körperlich stärker werden“, sagt Lukas Kaut. Da er allerdings noch in der Wachstumsphase ist, hat ihm auch der Athletiktrainer der Nationalmannschaft geraten, das Krafttraining nicht zu übertreiben.
Mit der B-Jugend des TSB Ravensburg hat der Rückraumspieler die Verbandsklassen-Staffel 6 dominiert. Alle sechs ausgetragenen Partien vor der frühzeitigen Winterpause haben die Ravensburger gegen Hossingen-Meßstetten, Albstadt, Hard und die zweite Mannschaft der JSG Balingen-Weilstetten gewonnen.
Am liebsten spielt Kaut im linken oder zentralen Rückraum. Trainer Jürgen Schmidt bezeichnet den 15-Jährigen aber als „Allzweckwaffe, der überall spielen könnte“, wie Lukas Kaut stolz erzählt. In der Rückrunde geht es gegen Mannschaften aus anderen Verbandsklasse-Staffeln.
Ein Stirnband fixiert das Hör-Implantat
Sowohl im Training als auch bei den Partien des TSB lässt Lukas Kaut seine Hörprothese – das sogenannte Cochlea-Implantat – über dem rechten Ohr dran, fixiert mit einem Stirnband. „Damit habe ich überhaupt keine Probleme“, sagt der 15-Jährige. „Auch in der Schule nicht.“ Der Neuntklässler geht in Ravensburg auf das Gymnasium St. Konrad.
Zum Handball kam Lukas Kaut 2014. „Kurz nach der Fußball-WM“, erinnert er sich. Bis dahin spielte er wie viele Jungs Fußball – „aber das hat mir nicht so Spaß gemacht“. Den hat er jetzt beim Handball. Beim TSB sowie für Deutschland.
Mit einem großen Unterschied: „Bei der Nationalmannschaft gibt es für alle die gleichen Bedingungen, man muss ohne Implantatstecker spielen“, sagt Lukas Kaut, der sogar einen Test beim Ohrenarzt machen musste, um zu beweisen, dass er ohne Implantat nichts hört. „Normalerweise freut man sich nicht über so ein Ergebnis, in diesem Fall schon“, meint Lukas’ Vater Johannes Kaut. Mit etwa drei Jahren hörte sein Sohn noch, dann wurde es schlechter.
Das Handicap sieht Lukas Kaut aber auch als Chance, etwas Besonderes zu schaffen. Etwa die Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft.